„Kommst du mit zum Science Slam am Mittwoch in die Rosenau?“ – „Science Slam? Das klingt eklig. Was’n das?!“ – „Na, das ist so wie Poetry Slam, nur mit Science halt.“ – „Poetry Slam? Das ist doch, wo die Gedichte vorlesen und so, oder? Dann noch mit Wissenschaft… Ne du, ich hab schon genug langweilige Vorlesungen!“ Nein, nein, nein – da müssen wir mal was klarstellen: Erstens ist ein Poetry Slam kein Gedichtvortrag und zweitens hat ein Science Slam nichts mit einer Vorlesung zum Thema „Empirische Analyse von wichtigen Dingen am Beispiel von soundsoweiter“ zu tun. Vielmehr geht es beim Science Slam um Kreativität; darum, ein wissenschaftliches Thema kurz und unterhaltsam zu verpacken. Und das natürlich besser als die anderen Teilnehmer der „Wissenschaftsschlacht“, denn am Ende kann es, wie so oft, nur einen Gewinner geben. Dieser wird vom anwesenden Publikum durch lautstarkes Säbelrasseln (hörbar als Klatschlaute) und wilde Schlachtrufe (auch Jubel genannt) gekürt.  Solch eine Schlacht ereignete sich nun auch am Mittwoch, 25.11.15,  in der „Rosenau“ (Rotebühlstraße) in Stuttgart und die VielSeitig schaute sich das natürlich für euch an.

Glücklicherweise können wir zwei Karten erwischen, die durch das Engagement der HdM Kulturinitiative wesentlich günstiger sind als an der Abendkasse. Gemeinsam mit den anderen HdMlern, die bei der Verlosung am schnellsten waren, befinden wir uns schon einmal in sehr netter Gesellschaft. Unsere Eintrittskarten-Fee Johanna Fleckenstein hat für uns alle auch schon komfortable Sitzplätze reserviert, also kann jetzt eigentlich nichts mehr schief gehen. Der Saal füllt sich langsam, weitere Stühle werden noch hereingetragen und in den letzten freien Ecken platziert. Die gestresste Kellnerin hat ein bisschen Mühe, alle Bestellungen aufzunehmen, aber es herrscht allgemein eine gute Stimmung, als endlich das Licht gedimmt wird, der Bühenstrahler an geht und ein gut gelaunter Moderator vor das Publikum tritt. Ein paar Begrüßungsfloskeln und eine kurze Comedy-Nummer später darf der erste Gast des Abends – ein speziell eingeladener Feature-Gast außer Konkurrenz – seine wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Besten geben: Bei Prof. Dr. Marc Toussaint geht es um Robotik, um künstliche Intelligenz und darum, was denn eigentlich ein gutes System ausmacht. „Woran forschen wir? Was wollen wir verbessern, wenn wir künstliche Intelligenz weiterentwickeln?“ fragt er ins Publikum. Schon erstaunlich, dass die ganzen Wissenschaftler seines Fachgebietes erst jetzt mit einer Antwort auf diese Grundsatzfrage rausrücken, denke ich. „Das Lernen!“, erklärt er mit strahlendem Gesicht. Je hochwertiger seine künstliche Intelligenz, desto besser und mehr kann ein Roboter lernen – das ist dann die Quintessenz seines 10-Minuten-Vortrages. Vor meinem geistigen Auge sehe ich viele kleine Studentenroboter in der HdM-Lernwelt sitzen…

Aber noch ehe ich meine Gedanken dazu vertiefen kann, betritt der erste offizielle Schlachtteilnehmer Simon Funke die Bühne. „I(ss)t die Mobilität der Zukunft vegetarisch?“ fragt die erste PowerPoint-Folie. Jetzt wird es lustig, denke ich gleich. Und tatsächlich gelingt es Simon, mit passenden Bildchen (wichtig: viele) und einer witzigen Story (wichtig: Freunde und Beziehungsprobleme gehen immer) die nicht ganz einfache Kurve von einem Spaziergang zweier Bekannter – einem Vegetarier und einem Fleischesser – hin zur Zukunft der Mobilität zu schlagen. Ich bin mir fast sicher, dass ich immer noch die wichtigsten Bedingungen aufzählen kann, die es braucht, damit wir in Zukunft weniger Benziner fahren, ohne auf deren Leistungen verzichten zu müssen. Schon hab ich was gelernt, denke ich und versuche mich noch einmal zu erinnern: leichtere Akkus, mehr vegetarische Restaurants entlang des Autobahnnetzes… Moment, jetzt bringe ich etwas aus dem Vortrag durcheinander… Aber eh ich meine Gedanken ordnen kann, geht es schon weiter.


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Kolja van Boekel tritt ins grelle Rampenlicht: ganz akkurat in schwarzem Hemd, weißer Fliege und wilder Lockenmähne – ja, genau so habe ich mir einen Wissenschaftler vorgestellt. Ich werde ein bisschen enttäuscht, denn er ist Kommunikationsdesigner. Ja gut, dass passt auch irgendwie, denke ich. Thema seiner Abschlussarbeit: „Das Nichts“. Einen Vortrag über das Nichts zu halten scheint schwierig, denn worüber soll man denn reden? Über etwas zu reden, dass es nicht gibt, macht es ja schon wieder zu „Etwas“. Genauso tiefgründig und philosophisch geht es dann weiter – manchmal kann ich dem Erzählten nicht ganz folgen. Begleitet wird der Vortrag allerdings von einer richtig schönen, größtenteils gezeichneten Präsentation. Glücklicherweise doch Grafiker und kein Naturwissenschaftler! Leider werden Kolja die Präsentationstools der Rosenau zum Verhängnis: erst fällt sein Tablet aus und er muss in den Technikergraben kriechen, um ein Zitat vorzulesen.

Dann nimmt das widerspenstige, sich selbständig machende Power-Point-Bedienungs-Dingens immer seine Pointen vorweg und zum Schluss rollen ihm noch diverse Dinge vom – zugegeben sehr wackligen – Beistelltisch herunter. „Nichts passiert!“, ruft er themakonform. Das war dann wirklich noch lustig.

Nach der Halbzeitpause geht es weiter mit Lorenz Adlung und der künstlichen Herstellung von Blut. Mit reichlich Accessoires, einem Blutkörperchen-Kuscheltier und einem selbstgebauten Blutdurchflusszytometer bringt er uns das Thema seiner Forschungen näher. Der Tomatensaft aus dem Zytometer landet am Ende zwar auf dem Bühnenboden, aber mit einer musikalischen Einlage am Ende seiner 10 Minuten sammelt er wieder Pluspunkte. Ein Rap über die Herstellung von künstlichem Blut – das muss man erstmal bringen und verlangt mir dann doch Respekt ab.

Philipp Mann ist der letzte Teilnehmer des Abends. Seine Einleitung, um das Publikum abzuholen: Physiker und die Frauen (ja, es funktioniert auch diesmal). Genauer gesagt ein Physiker in der Disko, der gerne seine Traumfrau ansprechen möchte.
Wir tappen eine Weile im Dunkeln, worum es bei seiner Forschung eigentlich geht, aber irgendwann stellt sich dann noch heraus, dass er an der besseren und genaueren Bestrahlung von Tumorzellen arbeitet. Er versucht dabei, so wenig wie möglich gesundes Gewebe und lebenswichtige Organe mit zu bestrahlen. Die Traumfrau des Physikers symbolisiert in seinem Vortrag die Tumorzelle – ich bin mir allerdings nicht sicher, ob er da wirklich einen Vergleich zu seiner Freundin gezogen hat oder ob damit die mit der Zeit heranwachsende Hassliebe eines Physikers zu einer Tumorzelle gemeint ist. Auf jeden Fall bin ich froh, dass Johanna uns keine Plätze in den ersten Reihen gesichert hat, denn bei Philipps abschließender Veranschaulichung wird ein Teil des Publikums weiter vorne „bestrahlt“, das heißt in diesem Fall: Mit Schaumstoffbällen beworfen.

Nun wird es spannend. Wer war denn jetzt am besten? An unserem Tisch herrschen unterschiedliche Meinungen. In der ersten Publikumsjubelrunde liegt Kolja noch hauchdünn vorn und es kommt zu einem Stechen zwischen ihm und Philipp. Wir hören eigentlich keinen Unterschied mehr in der Applaus-Lautstärke, doch der Moderator erklärt den Medizinphysiker kurzerhand zum Gewinner und er darf als Trophäe die „Goldenen Boxhandschuhe“ mit nach Hause nehmen. Alle bekommen noch Alkohol sowie Sponsorengeschenke und langsam geht das Licht wieder an.

Wir trinken noch unsere Getränke aus und machen uns auch auf den Weg nach Hause. Ob wir alles behalten haben, was uns die Wissenschaftler „gelehrt“ haben, wird sich noch zeigen. Aber ein unterhaltsamer Abend war es allemal!

– Friederike Glaubitz


Ihr interessiert euch für Science Slams oder andere Kulturveranstaltungen? Johanna Fleckenstein, die Kulturbeauftragte der VS an der HdM, wird auch zum nächsten Semesterbeginn vergünstigt Karten für diverse Veranstaltungen anbieten können. Seid also gespannt!