von Maria Gazarjan

Wie schön wäre es doch, wenn es immer so einfach wäre: Das Einschlafen. Manchmal macht unser Gehirn uns jedoch einen Strich durch die Rechnung. Was mich persönlich nachts wach hält, habe ich in einer kurzen Anekdote festgehalten…

Kurz nach Mitternacht. Wie gewohnt später als gedacht, aber noch im Rahmen des Vertretbaren, lege ich mich zur Ruhe. Ich spüre, wie meine Augenlider schwer werden und meine Atemzüge gleichmäßiger. Der Schleier des Schlafes legt sich langsam über mich…
Und dann ist da plötzlich diese Stimme. „Psst“, flüstert sie mir zu.
Jetzt noch lauter. „Pssst!“ Der Schleier will jedoch nicht weichen. Noch nicht.
„Pssst. Weißt du noch? Herbst. Vor zwei Jahren. Du im Restaurant. Am Tisch mit einer Gruppe Kollegen. Alle männlich. Alle älter als du. Einer versucht dich zu ärgern, weil du die Jüngste in der Gruppe bist…“
Och nee! Nicht das!
„Du willst Konter geben und sagst, sie würden vor dir in die Wechseljahre kommen. In die Wechseljahre!
Ich möchte die Stimme mit einem Kissen ersticken.
„Weißt du, wie man das nennt? Peinlich! Ha-ha!“
Da meldet sich eine andere Stimme zu Wort: „Du denkst, das wäre peinlich? Pah. Ich habe etwas für dich – das ist nicht nur peinlich, sondern auch noch gemein!“
Was denn jetzt noch? Lasst mich doch einfach in Ruhe schlummern!
„Pass auf: Sechste Klasse. Kunstunterricht. Da ist dieser Junge, den du nett findest. Als Beweis deiner Zuneigung machst du was? Genau! Als er sich hinsetzen will, ziehst du ihm den Stuhl weg…“
Nein! Aus!
„Und er heult!“
Toll gemacht, Gehirn. Warum musst du mich jetzt ausgerechnet daran erinnern?!
„Gern geschehen. Dafür sind Gehirne doch da.“
Grimmig winde ich mich zwischen den Laken. Jetzt ist der Schleier endgültig weg. Ich bettle den Schlaf an, zu mir zurückzukehren. Bin seelenruhig. Atme ein, atme aus.
An nichts denken, an nichts denken… Stille, Leere, Vakuum…
Das ist das ewige Dilemma – versuchst du an nichts zu denken, denkst du an den Versuch, nicht zu denken… und dann ist er wieder da: der komplett zufällige Gedankensalat. Eine Karambolage aus kuriosen Kapriolen, der du nicht ausweichen kannst.
„Wie heißt eigentlich eine männliche Hebamme? Gibt es einen eigenen Begriff dafür?“
Keine Ahnung.
„Oh, und weißt du, was der perfekte Name für eine Bar wäre? Arbeit! Überleg mal: Du wirst gefragt, wohin du nach der Arbeit gehst. Und du nur so: Zur Arbeit! Genial, oder?“
Gähn-ial, wenn überhaupt. Lass mich schlafen.
„Wie wär’s damit: Du gründest eine eigene Cider-Marke. Und nennst sie… Ciderella!“
Nein. Einfach nein.
Wieder wälze ich mich umher: irgendwie friert’s mich am Rücken. Ich rolle nach links, rolle nach rechts. Zack, Decke drunter. Ahhh. Besser. So, weiter im Text.
„Da ist noch diese Hausarbeit, die du in zwei Wochen abgeben musst. Und weißt du eigentlich, wie lange du nicht mehr beim Zahnarzt warst? Bist du dir sicher, dass du nicht noch kurz auf Toilette musst? Ach ja, übrigens…“

STILLE.

Der Wecker klingelt. Blinzelnd öffnen sich meine Augen, durch die Vorhänge dringt das morgendliche Licht. 
Und über allem schwebt eine Frage: 
Wann zur Hölle bin ich eingeschlafen?