Morgens in einer Großstadt. Der Himmel ist Wolken verhangen, der Wind lässt die Blätter in den Bäumen rascheln.
Vor diesem Hintergrund hebt sich das alte Bibliotheksgebäude majestätisch von den Hochhäusern und anderen Gebäuden ab. Es strahlt einen würdigen und doch einladenden Charme aus, der die Menschen animiert hineinzugehen, um dort zu verweilen, und der im Inneren des Gebäudes anhält. Die Einrichtung orientiert sich an den berühmten Universitätslesesälen mit abgenutzten Holzmöbeln bequemer Polsterung und Lampen mit grünen Schirmen. Dennoch ist die Einrichtung mit allen technischen Neuigkeiten des 21. Jahrhundert ausgestattet.
Hier geht der Bibliothekar seiner Arbeit nach. Er recherchiert in Datenbanken, hilft den Besuchern bei ihrer Suche und stellt Medien ein. Seine rauchgrauen Augen funkeln frech, als hätte er etwas ausgeheckt. Der Mund ist häufig zu einem Grinsen verzogen. Die pechschwarzen Haare sind kurz geschnitten, aber zerzaust als hätte er den Kamm verlegt. Er hat einen schlaksigen und dennoch muskulösen Körperbau, obwohl er nicht jeden Tag ins Fitnessstudio geht.
An einem Morgen kommt eine junge Frau in die Bibliothek. Die Marke an ihrem Gürtel weist sie als Detektive der Mordkommission aus. Sie hat ruhige moosgrüne Augen, flammenrote Haare, eine hochgewachsene Gestalt. Sie grüßt den Mann an der Information, unterhält sich mit ihm und geht auf die Ausleihtheke zu. Der Detektive lächelt den Bibliothekar, ihrem alten Freund aus Kindheitstagen, kurz an und kommt mit ernstem Gesicht zu ihrem Anliegen zurück. Sie legt dem Bibliothekar ein Foto vor und fragt ihn über die abgelichtete Person aus. Der Bibliothekar betrachtet das Foto und gibt ihr, soweit er kann, bereitwillig Auskunft. Der meistens höfliche Mann ist häufiger in der Bibliothek, bezahlt seine Gebühren rechtzeitig und macht nie Ärger. Während der Bibliothekar Auskunft gibt, macht sich der Detektive Notizen, wirft Zwischenfragen ein und hakt nach.
Irritiert fragt der Bibliothekar, warum die Polizei sich für einen Nutzer der Bibliothek interessiere. Die junge Frau erklärt ihm, dass der ermordete Mann öfter die Bibliothek aufgesucht habe. Sie habe gehofft, ihr könne Drake Black, der Bibliothekar, mit ein paar Informationen weiterhelfen, seien sie noch so irrelevant. Tatsächlich lieferte ihr Freund ihr mehrere interessante Spuren. Kate Watson dankt ihm und bittet, sie anzurufen, falls ihm noch etwas einfallen solle. Abschied nehmend sagt sie, sie müsse noch ein paar anderen Hinweisen nachgehen. Drake nickt und lächelt ihr ermutigend zu.
In der Nacht des gleichen Tages schleicht ein Schatten auf den Dächern der Großstadt herum. Er bewegt sich lautlos und elegant wie eine Katze. Die Gestalt ist in Schwarz gekleidet. Eine Maske verhüllt ihr Gesicht. Der Schatten erreicht seinen Zielort und sieht sich um, ehe er ein Scharfschützengewehr aufbaut. Er prüft die Richtung des Windes und seine Geschwindigkeit und nimmt sein Ziel ins Visier. Sein Opfer genehmigt sich seinen letzten Whiskey, dann drückt der Schütze ab. Die Kugel durchquert die Distanz in wenigen Sekunden, durchbohrt das Herz seines Opfers und schlägt in die Wand hinter dem Toten ein. Der Schatten baut sein Gewehr zusammen und sammelt die Patronenhülse ein. Danach bricht er in die Wohnung seines Opfers ein und zieht mit Hilfe einer Zange die Kugel aus der Wand. Er wirft ein paar Möbel um, schlitzt mehrere Polster auf und nimmt ein paar Wertsachen an sich. So sieht es aus, als wäre das Opfer durch einen Raubmord zu Tode gekommen. Dann klettert er die Feuerleiter runter, steigt auf ein Motorrad, wirft die Wertsachen in den nahegelegenen Fluss und fährt zu seinem Unterschlupf. Dort angekommen, zieht sich Drake Black die Maske vom Kopf und bereitet alles für den morgigen Tag vor. Er überprüft seine geheime Auftragskillerwebseite, ob es neue Aufträge gab, und geht müde schlafen.
– Melanie Greiner
(2. Platz, Schreibwettbewerb SS2015)