von Angelina Neuwirth
Instagram auf. Tap. Jemand backt Bananenbrot. Tap. Derselbe Jemand geht joggen. Tap. Ein anderer Jemand präsentiert schon das fünfte Buch, das er diese Woche gelesen hat. Tap. Ganz viele Jemande, die ganz viele tolle Dinge machen. Tap. Instagram zu. Ich hasse diese Jemande. Hasse sie, weil sie scheinbar alles so super toll auf die Reihe kriegen, trotz Krise, trotz Home Office, trotz so viel Sehnsucht nach dem Leben „davor”. Hasse sie, weil sie die Menschen sind, die mit zehn Kilo weniger auf den Hüften und einem B2-Italienisch-Level aus der Quarantäne kommen werden. Hasse sie, weil ich nicht weiter mich selber hassen kann, sonst gehe ich an die Decke.
Hasse mich aber trotzdem für meine Verbitterung, Frust und Selbstmitleid tropfenden Worte. Diese ganze Leistungsgesellschaft geht mir dermaßen auf den Geist, aber noch viel schlimmer ist, dass ich mich nicht aufraffen kann, selbst so ein Jemand zu sein. Der Bananenbrot backt, joggen geht und fünf Bücher pro Woche liest. Jeden Morgen stehe ich auf und sage mir: „Und heute machst du Stretching, und du backst leckere Muffins, und du liest was!” Und dann ist es entweder einer meiner freien Tage, an denen ich einfach nur auf Reddit vergammeln möchte, oder stundenlang Häuser bei Sims 4 bauen möchte, oder einfach nur dieser beschissenen Realität entkommen möchte. Wenn es kein freier Tag ist, arbeite ich. Wenigstens eine produktive Aktivität. Denke mir währenddessen „Nachher steigst du noch auf den Crosstrainer und schaust währenddessen ein bisschen Netflix”, um es mir selbst schmackhaft zu machen. Netflix schaue ich, der Crosstrainer bleibt unberührt.
Also Instagram wieder auf. Tap. Jemand liegt noch im Bett und schaut Serien. Und das um 15 Uhr? Tap. Jemand liegt in der Sonne, kein Buch, kein ‘Ich habe diese Woche schon drölfzigtausend Bücher gelesen’, nichts. Tap. Jemand schreibt, dass ich mich nicht schlecht fühlen muss, weil ich gerade kein neues Hobby lerne. Tap. Instagram zu. Ganz verwundert bleibe ich sitzen und schaue ins Leere. Und frage mich, wann ich das letzte Mal nichts getan habe, ohne mich schlecht dafür zu fühlen. Viel zu lange her eigentlich. Während ich so da sitze und die Stille in meinem Kopf genieße, denn zum ersten Mal ist die boshafte Stimme still, die mir sagt, ich mache zu wenig; während ich also so da sitze, bekomme ich Lust auf Backen. Und Sport. Und Lesen. Und werde schon wieder frustriert und ungehalten, weil das alles gleichzeitig gar nicht geht. Ermahne mich selbst, mal kurz runterzufahren. Nehme das Buch von meinem Nachttisch und fange an zu lesen.
Eine Woche später war ich immer noch kein einziges Mal Joggen und die Muffinförmchen warten auch noch auf die Feuertaufe. Ob mich das nervt? Gewaltig. Ob ich mich deswegen hasse? Ne. Habe ich keine Lust mehr drauf. Instagram auf. Tap. Jemand backt Bananenbrot. ‘Bringst du mir ein Stück vorbei?’ schreibe ich als Nachricht. Tap. Jemand geht joggen. Ich bewundere das Durchhaltevermögen. Tap. Jemand empfiehlt das achte Buch, das er diese Woche gelesen hat. Ich bestelle es mir. Tap. Instagram zu. Vielleicht backe ich morgen Muffins. Vielleicht schlafe ich morgen bis 12 Uhr und bleibe danach im Bett liegen. Vielleicht lege ich mich morgen auch in den Garten, das erscheint mir wie eine Art Kompromiss. Ganz egal was ich mache – ich setze mich nicht unter Druck. Diese Quarantäne ist kein Wettbewerb, und schon gar keiner den ich gewinnen muss.