Die ersten Freunde finden wir im Kindergarten. Wir rutschen zusammen die Rutsche runter, bewerfen uns mit Sand und streiten uns um Puppen. Gelegentlich schneiden wir uns auch gerne die Haare (kleiner Insider, sry).
Das Mädchen aus der Igel-Gruppe lernen wir in der Grundschule kennen. Zusammen fahren wir Inline-Skater, Fahrrad oder Cityroller. Praktischerweise wohnen wir auch alle in einem Ort oder zumindest im Nachbarort. Das Mädchen aus der Mäuse-Gruppe im Kindergarten, das zwei Jahre jünger war, ist schnell vergessen.
Die fünfte Klasse ist schließlich schon ein größerer Sprung ins Unbekannte. Manche haben Glück und werden an der gleichen Schule genommen. So wie meine Freunde und ich. Zufällig schaffen wir es sogar in die gleiche Klasse. Bis zur siebten Klasse haben wir also Glück und können uns noch zusammen den ersten BH kaufen und Jungs eklig und doof finden.


Im August 2007 versammeln wir uns im Foyer. Der Rektor liest die Klassenlisten vor. Wir kommen nicht in die gleiche Klasse. Andere Lehrer, andere Noten. Die ersten Jungs, die wir toll finden. Die erste Party im Keller irgendeines Cousins. Der erste Schluck Alkohol, auch wenn es vielleicht nur ein Bier ist. Die erste große Liebe schlägt ein wie der Blitz und verändert alles. Wir gehen viel mehr weg. Zuhause ist es schließlich langweilig. Auf Facebook kommen pro Jahr 100 neue Freunde dazu. Ohne Handy geht gar nichts mehr. ICQ, WKW und Schüler VZ erobern meinen neuen Freundeskreis. „Alter“ wird das Wort unserer Generation. Eltern regen sich über zu knappe Outfits auf. Wir regen uns über zu spießige Eltern auf. Über AGs, Partys und die Schule lernt man Leute aus anderen Jahrgängen kennen. Wir verstehen uns alle gut und machen viel zusammen. Freunde hat man generell viele. Auf wen es wirklich ankommt, weiß man gar nicht so recht. Es sollte nur immer jemanden geben, der da ist und zuhört. Wichtig ist vor allem: maximalen Spaß haben.
Die zehnte Klasse neigt sich dem Ende zu. Abi machen oder Ausbildung? Will ich eigentlich studieren? Keine Ahnung, weiß ich doch jetzt noch nicht. Einige gehen oder wiederholen die zehnte Klasse. Wir entscheiden uns für das Abitur und betreten im August 2011 unseren „11er Bereich“, einen stickigen viel zu kleinen Raum für 90 Schüler. Als bunt durcheinander gewürfelter Haufen schockieren uns die Lehrer erst mal mit ihren neuen höheren Anforderungen.
Mit den Freundinnen aus der Mittelstufe habe ich höchstens einen Kurs zusammen. Andere Interessen, andere Leistungskurse. Die Leute aus den anderen Klassen sind eigentlich auch ganz cool drauf. Man verliert sich in der Masse langsam aus den Augen. Da man den halben Tag in der Schule verbringt, geht am Nachmittag auch nicht mehr viel. Leider klappt das Treffen mit meinen neuen Freunden außerhalb der Schule auch nicht so oft. Das könnte vermutlich auch daran liegen, dass wir aus allen möglichen Richtungen kommen und teilweise 40 Minuten fahren müssen, um den jeweils anderen zu besuchen. Hierbei sollte erwähnt werden, dass wir maximal sechs Busverbindungen am Tag haben. Ja, die Dorfkinder haben es nicht leicht.

Ältere Freunde sind mittlerweile mit dem Abitur fertig und bewerben sich für diverse Studiengänge. Im Oktober 2011 sind sie plötzlich weg. Ich sehe sie nur noch selten.
Die zwölfte Klasse beschert uns nicht nur ein neues Mitglied in unserem Freundeskreis. Wir erlernen auch etwas sehr Essentielles, wenn man auf dem Land wohnt: das Autofahren. So finden in sämtlichen Pausen und Freistunden Spritztouren zu verschiedenen Essensanbietern (Rewe, Megges, Subway etc.) statt. Generell wird viel gechillt.
Ab und zu fahre ich meine studierenden Freunde in ihren neuen Heimatstädten besuchen. Oft bin ich ziemlich frustriert, weil ich nicht mitreden kann. Trotzdem bewundere ich das. Ihre Wohnungen sehen allerdings aus wie ein Saustall. Teilweise sind ihre Mahlzeiten auch echt seltsam und ich frage mich nicht selten, wie sie solche Dinge essen können. Das Studium scheint eine ganz neue Welt zu sein.
Im Januar 2014 steht unser Abitur an. Zusammen haben wir stundenlang gelernt und Aufgaben gerechnet. Die Arbeiten laufen gut. Auch das Mündliche ist im Februar geschafft. Am 31. März 2014 feiern wir unser bestandenes Abitur.
Im halben Jahr danach beschäftigen wir uns viel mit der Zukunft.
Nachdem ich keinen Ausbildungsplatz, keine Stelle für ein FSJ Kultur bekommen und mich auch gegen ein Auslandsjahr entschieden habe, werde ich wohl studieren. Kurz vor knapp wissen einige immer noch nicht, was sie jetzt tun sollen. Manche bekommen ihren Traumstudienplatz, manche nicht, manche gehen auf Weltreise, manche machen eine Ausbildung. Alles ist möglich. Meine Freunde sehe ich eigentlich in dieser Zeit kaum. Obwohl wir so viel freie Zeit haben, ist jeder mit sich und seinem Leben genug beschäftigt. Man hat ja What’s App. Muss reichen.
Ende August sind die Zu- und Absagen der Unis raus. Wir verteilen uns auf Koblenz, Saarbrücken und Stuttgart. Ich bin die einzige in meinem Freundeskreis, die alleine auszieht und in der neuen Stadt absolut niemanden kennt. Die anderen ziehen mit Mitschülern zusammen oder bleiben zu Hause wohnen, weil die Uni nicht weit weg ist. Bammel, vor dem, was auf uns zukommt, haben wir aber trotzdem alle. Durch die Wohnungssuche und den anstehenden Umzug ist jeder ziemlich gestresst.
Im Oktober 2014 kann es losgehen. Zu Hause raus und ab ins neue Heim. Die Ersti-Veranstaltungen ziehen an uns vorbei und nach kurzer Zeit sieht mein neues Zimmer auch aus wie ein Saustall. Meine Mahlzeiten sind außerdem auch nicht weniger kurios als die, die ich vor einem halben Jahr noch bei meinen älteren Freunden bestaunt habe.
Wir treffen uns alle erst wieder vor Weihnachten auf einem Stufentreffen. Jeder hat etwas anderes zu erzählen. Und nach Weihnachten haben alle schon wieder so viel zu tun, dass wir es wieder nicht schaffen, uns zu treffen.
Das Freundefinden in Stuttgart geht überraschend schnell. Da ich ins Wohnheim gezogen bin, habe ich zwölf Mitbewohner. Die einzige Deutsche auf der ganzen Etage ist mittlerweile eine meiner besten Freunde geworden. Es ist schön, auch im Studiengang wirklich gute Freunde gefunden zu haben, die sich genauso für den Studiengang begeistern wie ich. Zusammen unternehmen wir viel und genießen die Freiheit, auf eigenen Beinen zu stehen.
Es ist einfach ein ganz neues Lebensgefühl.
Ich weiß nicht, wie lange sich die anderen Freundschaften in der Heimat noch halten werden. Aber jede Zeit bringt neue Menschen mit sich, die einem ans Herz wachsen können. Jede Freundschaft ist eine neue Chance. Für manche muss man kämpfen und manchmal muss man für neue Freundschaften andere zurück lassen.

– Mona Joerg