Immer mehr junge Menschen entscheiden sich dazu, nach der Schule eine Zeit lang herumzureisen. „Work and Travel“ ist beliebt. Man sieht dabei etwas vom Land, sammelt Arbeitserfahrung und verdient nebenbei das nötige Kleingeld. Doch macht es überhaupt Sinn, sich auf eine solche Reise zu begeben? Ein Rückkehrer erzählt von seinen Erfahrungen.
Ganz aufgeregt steigt er in den Flieger, was wird ihn wohl im kommenden Jahr erwarten? Tausende Fragen und Gedanken gehen ihm durch den Kopf, als er ungeduldig auf den Abflug wartet. Er wird das erste Mal außerhalb Europas reisen. Die Vorfreude steigt mit jeder Minute. Sein Kumpel Lukas ist auch dabei, so ist er wenigstens nicht komplett auf sich allein gestellt. Endlich rollt das Flugzeug auf die Startbahn – die große Reise beginnt.
So startete Daniels Reise nach Neuseeland. Zu dem Zeitpunkt war er 18 Jahre alt, hatte gerade die Schule abgeschlossen und wollte nun ein halbes Jahr mit Work and Travel auf Neuseeland verbringen. Nach dem Abitur wusste er nicht genau, was er machen wollte. Sein Kumpel Tobias fragte ihn, ob er nicht Lust hätte mit ihm nach Neuseeland zu kommen und auf einer Ranch zu arbeiten. So entschied er sich dafür, Work and Travel zu machen. Auch die persönliche Entwicklung spielte eine Rolle: „Ich habe das für mich gebraucht, um meinen Horizont zu erweitern.“
Die ersten Wochen auf Neuseeland
Das Abenteuer begann im Norden der Insel in der Nähe von Oakland. Zehn Wochen verbrachten die beiden auf der Ranch von Hans Notter, einem Schweizer, der im Alter von zwölf Jahren nach Neuseeland auswanderte und später die Ranch gründete. Dort besuchten Daniel und Lukas einen „Leadership Kurs“. Dabei lernten sie, Gruppen anzuleiten. Diese Fähigkeit konnten sie bei der Anleitung von Schulklassen praktisch umsetzen. Nebenbei arbeiteten sie auf der Ranch. Der Kurs war jedoch nicht kostenlos. 1250 Dollar mussten sie dafür bezahlen.
Vor Abflug hatte Daniel sich einige Orte ausgesucht, die er auf jeden Fall besuchen wollte: „Eines meiner Ziele war der „Hot water beach“. Wenn man im Sand gräbt, findet man dort heißes Wasser im Boden.“ Außerdem wollte er Weihnachten am Strand verbringen und so viel wie möglich vom Land sehen.
Erkundungstour durch’s Land
Während der Arbeit auf der Ranch lernten sich die Reisenden besser kennen. Zu siebt starteten sie schließlich ihre sechswöchige Reise durch Neuseeland. Diese organisierten sie ziemlich spontan. „Die Planung ist einfach, denn es gibt dort gar nicht so viele Straßen und Campingplätze.“ Sie entschieden sich dazu, die Reise komplett auf eigene Faust ohne Agentur durchzuführen. Vor allem wenn man nicht alleine unterwegs ist, sei dies nicht nötig, denn man könne sich dann immer gegenseitig unterstützen, so Daniel. „Wir wussten, dass wir nur auf der Ranch arbeiten wollten, somit fiel das Problem der Jobsuche für uns weg.“
Highlights der Reise
„Das Beste an Neuseeland war das Meer. Man ist von jedem Punkt der Insel schnell dort.“ Eine beliebte Sportart auf Neuseeland sei das Boogie boarden, erzählt Daniel. Dies funktioniere wie Surfen. Der einzige Unterschied sei, dass man dabei mit dem Bauch auf dem Surfbrett liege. „Es ist eine Freizeitbeschäftigung, die dort jeder betreibt, von groß bis klein. Ich hätte nicht gedacht, dass es so Spaß macht.“
Kontakt zu Einheimischen
Die Einheimischen des Landes nahmen sie sehr gastfreundlich auf. „Wir besuchten auf Neuseeland eine Gemeinde. Dort wurden wir beispielsweise zu Weihnachten von einem Ehepaar eingeladen. Auch zum Rugbyspielen und sogar in ihr Ferienhaus nahmen sie uns mit.“
Dies sei jedoch nicht überall der Fall. „Auf der Nordinsel gibt es ein Reservat, wo die Maoris, die Ureinwohner Neuseelands, wohnen. Dort sollte man vor allem als Deutscher nicht hingehen. Die sind dort nicht gern gesehen.“ Während ihrer Reise waren sie in besagtem Reservat unterwegs und blieben ausgerechnet dort mit ihrem Auto liegen. Sie hatten Glück, ein Rancher half ihnen und wechselte ihre Reifen. „Obwohl wir als Ausländer dort unterwegs waren, verhielt sich der Rancher sehr freundlich und hilfsbereit uns gegenüber.“
Eine weitere positive Erfahrung machten sie in einem großen Supermarkt: „Wir fragten die Verkäuferin, wo es Sim-Karten zu kaufen gibt. Freundlich gab sie uns Auskunft. Als wir ihr erzählten, dass wir aus Deutschland kommen, reagierte sie total freundlich und begann direkt, Smalltalk mit uns zu führen. Und das an der Kasse in einem riesigen Supermarkt.“ Diese Erfahrung bestätigte ihnen das Bild von den offenen und gastfreundlichen Menschen in Neuseeland.
Daniel reflektiert seine Reise
„Ich würde die Reise auf jeden Fall nochmal machen“, berichtet Daniel. „Es ist interessant, die Leute dort kennenzulernen. Man erlebt dort ein Gefühl von Freiheit.“
Was er anders machen würde ist, sich ein eigenes Auto zu kaufen. „Das ist das Wichtigste, was man dort machen sollte. Außerdem würde ich länger reisen, um die Orte noch intensiver kennenzulernen.“ Auch Spontanität sei bei der Reise wichtig.
Im Berufsleben könne einem diese Erfahrung auch weiterhelfen. „Bei der Arbeit auf der Ranch haben mich andere Leute inspiriert. Hans, der Leiter der Ranch, arbeitet täglich zwölf Stunden und beschwert sich nie. Diese Einstellung hat mich sehr beeindruckt.“
Der aktuelle Reisetrend
Daniel würde jedem Schulabgänger empfehlen, Work and Travel zu machen. Er habe jedoch Bedenken, dass die Einwohner des jeweiligen Reiselandes den Trend nicht begrüßen, da beispielsweise die Natur durch die Reisenden verschmutzt werde.
Der Trend habe mehrere Gründe: „Es ist einfacher geworden zu reisen. Das Fliegen ist billiger geworden und es ist heutzutage einfacher, ein Visum zu bekommen. Dazu kommt die Globalisierung durch die Medien.“ Über Social Media sei man viel stärker vernetzt und fühle sich damit auch stärker mit anderen Ländern verbunden. Zudem würden über die sozialen Netzwerke Trends schnell verbreitet. Ein weiterer Grund für das Reisen sei die mangelnde Berufsvorbereitung in der Schule. „Viele junge Menschen sind unsicher, was sie beruflich machen wollen und suchen nach der Schule Orientierung.“
Ob man diese Orientierung bei einer Reise wie „Work and Travel“ findet, sei jedem selbst überlassen und hänge von den persönlichen Erfahrungen im Land ab.
Madeleine Fischer