von Hanna
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Wann habt ihr das letzte mal an Blogs gedacht?

Wenn es euch so geht wie mir, ist das schon eine ganze Weile her. Als Gen Z habe ich die Zeit von MySpace und co. knapp verpasst und stattdessen waren Websites wie “Wer-Kennt-Wen” meine erste Exposure zu so etwas wie sozialen Medien. Das war noch auf dem Computer meiner Eltern, Betriebssystem: Windows XP.
Und hin und wieder vermisse ich diese einfachere Zeit doch sehr: Als das Internet noch ein Ort war, wo man sich aktiv entscheiden musste, sich an den PC zu setzen und online zu gehen, anstatt, dass man es einfach 24/7 mit sich rumträgt.

Und nicht nur mir geht es so: In den letzten Monaten kam nun eine Welle von Nostalgie im Internet auf für diese Zeit der frühen Zweitausender und brachte mit sich eine Welle von “Aesthetics”, most notably: Frutiger Aero. 

Laut dem Aesthetics Wiki handelt es sich hierbei um einen

“design style and aesthetic that was prevalent in advertising, media, stock imagery and technology from roughly 2004 to 2013, following the end of the Y2K era. […] it is characterized by its vast use of Skeuomorphism, glossy textures, cloudy skies, tropical fish, water, bubbles, glass, lens flare, sprawling patterns, „humanism“, aero glass, bokeh, Frutiger fonts, Abstract Tech, auroras and bright, vibrant colors (usually greens and blues).”

(Quelle)

Aka.: Die Windows XP-Hintergründe oder das Wartezimmer-Design der örtlichen Zahnarztpraxis. Ich denke, was viele vermissen, neben dem Nostalgie-Faktor, ist auch, wie positiv diese Design-Ära war. Es war eine allgemeine Vorfreude auf die kommende Technik spürbar und die Zukunft wirkte fast schon greifbar. Nicht zuletzt hört man in diesem Kontext auch oft, dass Frutiger Aero “die Zukunft, die uns versprochen wurde, aber nie zustande kam” ist. Ganz so krass sehe ich das persönlich nicht — aber ich vermisse diese Grundpositivät doch auch selbst.

Nicht nur das Design des “alten” Internets wird immer mehr vermisst — auch die Zeit vor Social Media, wie wir es heute kennen, wird gerne erwähnt. Zu jener fernen Zeit war es zum Beispiel beliebt, einen persönlichen Blog zu erstellen.

Nun könnte man sagen, dass es auch heute noch solche Blogs in modernen Formen gibt. Social Media Sites wie etwa Tumblr haben eine ähnliche Grundidee, geben einem aber nicht die gleichen Gestaltungs- und Content-Freiheiten und haben immer noch einen Freundesfeed – außerdem ist man wieder an eine Kooperation gebunden. Denn auch das unterscheidet Blogs wieder von Social Media: Man ist unabhängig von den Business-Entscheidungen großer Firmen, welche gerne auch mal… ungeschickt erscheinen (RIP Twitter).

Und Blogs haben noch einige weitere Vorteile, die traditionelles Social Media nicht bieten kann:
Sie sind komplett personalisierbar; je nachdem, womit man sie betreibt, gibt es keine Werbung und es gibt keinen Algorithmus, der einem Blackbox-artig Content zuschiebt. Man ist komplett selbst verantwortlich für den Inhalt des eigenen Blogs und das Besuchen der Blogs von anderen.

Und so gibt es seit einigen Jahren eine Bewegung, in der Leute wieder persönliche Blogs basteln. Am bekanntesten hierfür ist Neocities, inspiriert vom nun nicht mehr existierenden GeoCities, wo bis 2009 User eigene Blogs kostenlos erstellen konnten. Auf Neocities gibt es Blogs zu so ziemlich jedem Thema, das man sich denken kann: Hobbies und Interessen, persönliche Tagebücher, es gibt sogar Websites, die Escape-Room-ähnlich funktionieren und über versteckte Hinweise auf der Seite eine Geschichte erzählen.

Nachteile von solchen Blogs sind natürlich, dass sie viel mehr Mühe brauchen. Wenn man keinen RSS-Feed baut, muss man die Blogs manuell aufrufen, um zu wissen, ob etwas neues hochgeladen wurde — und selbst RSS-Feeds sind etwas, womit sich heute noch die wenigsten auskennen, ich mit eingebunden. Außerdem ist es nicht ganz so einfach, zu anderen Themen und Ideen, an die man selbst vielleicht nicht denken würde, Kontakt zu finden, wie auf Social Media. Auch in der Blogosphäre kann man sich eine Content Bubble bauen.

Und doch fasziniert mich dieses Konzept. So sehr, dass auch ich angefangen habe, einen Blog zu coden und dafür sogar extra HTML und CSS zu lernen. Ich muss sagen, dass es mäßig schnell vorangeht und ich nicht selten auch mal länger an einem Problem sitzen muss, der Prozess aber auf jeden Fall persönlich erfüllend ist — etwas, was ich beim schnellen Ausfüllen eines sterilen Social Media Profils niemals sagen würde.

Quellen:
https://aesthetics.fandom.com/wiki/Frutiger_Aero
https://neocities.org

Bild:
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Frutiger_Aero_(1).jpg