von Hanna

Wenn ihr, wie ich, gefühlt die Hälfte eures Tages auf Youtube verbringt und dort die amerikanische “Commentary” Seite der Website verfolgt, ist euch dieser Begriff vielleicht auch schon mal ins Auge gefallen: die “Friendship Recession”.

In deutschen Medien jedoch hab’ ich noch gar nicht so viel von diesem Thema gehört – dabei betrifft es uns genauso hier, wie auf der anderen Seite der Welt.

In den US melden verschiedene Survey Quellen, dass US-Amerikaner immer weniger enge Freunde haben; die Zahl an Menschen mit mehr als 10 engen Freunden ist hier von 33% in 1990 auf 13% in 2021 gefallen. Dabei darf man natürlich auch den Einfluss der Pandemie 2021 nicht vergessen, schließlich war es zu dieser Zeit nicht so einfach, Leute zu treffen, wie heute in 2024.
Und doch kann es nicht nur hieran liegen – schließlich gibt es genug Wege, trotzdem in Kontakt zu bleiben. Aber was, wenn genau diese Wege uns einsamer machen?

Verbunden hiermit ist natürlich das Thema Social Media. Ja, ich weiß, Social Media bekommt schon genug Kritik, aber was dieses Thema angeht, aus gutem Grund. Wenn ich durch Instagram immer sehen kann, was beispielsweise meine alten Freunde aus der Schulzeit machen, habe ich keinen Grund, sie aktiv zu kontaktieren, um zu fragen, was bei ihnen so passiert. Ich kenne ja schon ihr momentanes Lieblingscafé, dass sie jetzt einen Hund haben und dass es mal wieder regnet, wo sie wohnen. Es ist eine Connection ohne Anstrengung, bei der wir so viel wissen und uns doch nur oberflächlich verbunden fühlen. Das führt auch dazu, dass wir mental mehr Freundschaften aufrechterhalten, als wir es in Realität wirklich tun.

Robert Dunbar (den ich tatsächlich mal bei einer Konferenz sprechen sehen konnte, Fun Fact!) prägte hier den Begriff der Dunbar-Zahl, welche besagt, dass ein Mensch maximal Platz für 150 soziale Beziehungen von verschiedener Intensität in seinem Leben hat. Diese Zahl ist etwas umstritten, wobei andere Quellen sagen, dass es sogar bis zu 200 Connections sein können – die zentrale Aussage jedoch steht: Man kann nur eine begrenzte Anzahl an Beziehungen aufrechterhalten. Und wenn dieser Space von passiven Social-Media-Freundschaften eingenommen wird, bleibt weniger Platz für den Rest.

Falls ihr meinen ersten Text hier gelesen habt, wisst ihr schon, dass mich das Concept “Third Places” fasziniert – und auch hier ist es wieder relevant. Weniger Zeit in Third Places bedeutet ein kleineres soziales Umfeld, bedeutet weniger Möglichkeiten, Freundschaften aufzubauen. Wenn man seine Zeit nur Zuhause oder auf der Arbeit verbringt, wird es schwierig, neue Leute kennenzulernen.

Aber wer kann uns dafür verurteilen, wenn wir einfach so busy konstant sind? Wenn man seine Freunde dann nach Wochen oder Monaten endlich wieder sehen kann, gibt es so viel zu erzählen, was es vielleicht doch nicht auf Social Media geschafft hat – so viel, dass man das Treffen wahrscheinlich nur mit Erzählen verbringt. So bilden sich “Catch-Up Friendships” – wenn man sich sieht, schwelgt man in Erinnerungen, anstatt aktiv neue gemeinsame Momente zu schaffen, wodurch man sich langsam immer weniger verbunden fühlt.

Weiterhin kommt hier noch das Problem unserer alternden Gesellschaft hinzu – ältere Menschen pflegen weniger Kontakte. Ab 25 Jahren schon beginnt sich im Durchschnitt die Anzahl unserer Freundschaften zu verringern, was natürlich auch Auswirkungen auf eine Generationenumfassende Studie, wie oben zitiert, hat.

Was also können wir tun, um dieser “Rezession” entgegenzuwirken? Eine einzige richtige Antwort gibt es hier natürlich nicht – jedoch ein paar Ansätze.
Vielleicht kann man den Catch-Up-Friendships in seinem Leben neuen Wind geben, indem man statt einem Café vielleicht eine Bowlingbahn als Treffpunkt vorschlägt, aka ein Ort, wo man gemeinsam neue Erinnerungen schaffen kann. Weiterhin kann man selbst analysieren, ob man sich zu sehr auf Social Media verlässt, um Freundschaften aufrechtzuerhalten. Braucht man wirklich noch das Instagram einer Person, mit der man seit 7+ Jahren nicht mehr interagiert hat? Und falls ja – vielleicht kann man ja auch hier wieder den Kontakt herstellen und eine aktive Freundschaft entwickeln. Oder man sucht sich doch noch einen Third Place?

Freundschaften sind nicht zuletzt super wichtig für unsere Mental Health: Ein Fehlen von Freundschaft in unserem Leben kann so schädlich wie Alkohol oder Zigaretten sein.

Deshalb: macht Social Media zu einem Werkzeug für Freundschaft statt einem Ersatz!

Quellen:
https://www.americansurveycenter.org/research/the-state-of-american-friendship-change-challenges-and-loss/
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4852646
https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/psyche-und-gesundheit-einsamkeit-schadet-genauso-wie-rauchen-a-708728.html